Hallo,
ich lese Théophile Gautier (1811-1872): "Die verliebte Tote"
aus Théophile Gautier: Romane und Erzählungen, fourierverlag
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Théophile Gautiers Erzählung "Die verliebte Tote" entstand 1836 und zählt zu den frühen Vampirgeschichten der Weltliteratur. John William Polidori (1795 - 1821), der Leibarzt von Lord Byron, schuf mit "Der Vampir" im jahre 1819 die erste Vampirgeschichte der Weltliteratur. (enthalten ist diese Erzählung in "Der Vampir", Gespenstergeschichten aus aller Welt (Verlag Das Neuer Berlin 1982, Lizenzausgabe 1983 Nymphenburger, der diesen Band in einem Schuber mit dem Band "Die Nebeldroschke", Deutschsprachige Gespenstergeschichten; herausgebracht hat). Polidori löste mit seiner Erzählung eine Welle von Vampirgeschichten aus, deren auch E. Th. A. Hoffmann erlag. Er schrieb "Der Vampyr" (bzw. "Cyprians Erzählung)", die man in der Sammlung "Die Serapionsbrüder" finden kann.
Gautiers Erzählung ist die Geschichte einer Verführung durch einen weiblichen Vampir. Während der Zeremonie zur Verleihung seiner Priesterweihe, verfällt Romuald den Blicken der wunderschönen Clarimonde, die in den hinteren Bänken der Kirche sitzt. Diese Erzählung verdeutlicht, dass eine Unterdrückung der Sexualität nicht möglich ist, selbst wenn man Priester ist. Wenn man August Graf von Platen dem Tode geweiht ist, wenn man das Schöne geschaut hat (Tristan) ist es hier das Sexuelle, dem man nicht mehr entkommt. Bei Gautier heißt es:
ZitatSieh niemals ein Weib an! Geh deines Weges mit gesenktem Blick! Denn, wie keusch und sicher du dich auch wähnen magst: Ein einziger Blick genügt, dich auf ewig zu verderben!
Da die Dame unserer Geschichte ein Vampir ist, kann der Pfarrer seiner Besessenheit natürlich nicht entkommen. Die Dame saugt Romuald'es Blut. Interessant ist, Romuald wird deswegen nicht zum Vampir, er muss auch nicht sterben, sondern es wird nur so viel gesaugt, das Romuald überlebt und Clarimonde zu Kräften kommt. Triebverdrängung führt zu seelischen Qualen bis zum Lebensende, vielleicht eine größere Strafe, als der Tod.
Théophile Gautier erweist sich an sich als realistischer Erzähler. In die Realität drängt sich aber das Böse ein. Romuald weiß dann irgendwann nicht mehr, ob er der Liebhaber Clarimondes ist (das Böse) oder ein Priester (das Gute), oder ob er träumt oder wach ist. Im Grunde genommen haben wir Ansätze eines Doppelgängermotivs - die Seele ist gespalten.
Gruselig ist die Erzählung nicht, aber Théophile Gautier nimmt den Leser mit seiner märchenhaft anmutenden Erzählweise gefangen.
Liebe Grüße
mombour