Gina Mayer - Das Maikäfermädchen

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    Ich hatte das Glück, dieses Buch vorab lesen zu dürfen. Und es hat sich wirklich gelohnt. Ich habe bereits andere Bücher von Gina Mayer gelesen und auch dieses Mal war es ein Vergnügen.
    Zum Inhalt: In diesem Roman geht es um eine Frau Mitte vierzig im Nachkriegsdeutschland. Ihr Mann ist nicht aus dem Krieg zurückgekommen, doch sie glaubt fest daran, dass er noch lebt. Da sie als Hebamme nicht genug Geld zum Leben verdient, beginnt sie, illegal Abtreibungen durchzuführen. Anfangs aus ihrer Not heraus. Doch dann zieht es immer weitere Kreise…
    Was mir besonders gefallen hat war die eindrucksvolle Schilderung von Nachkriegsdeutschland. Es ist heute wirklich nicht mehr vorstellbar, wie es damals ausgesehen haben muss, wie es den Leuten ging. Kaum ein junger Mensch in Deutschland weiß heute noch, wie es ist, hungern zu müssen, sich sein Essen hart zu erkämpfen. Wie sich Menschen im Ernstfall verhalten, wenn es um Leben und Tod geht, hat Gina Mayer sehr eindrucksvoll geschildert.
    Die von ihr gezeichneten Charaktere sind allesamt sehr ausdrucksstark. Es sind Menschen wie du und ich. Und doch ist jeder für sich allein. Freud und Leid liegen nah beieinander. Des Einen Freud ist hier wortwörtlich des Anderen Leid.
    Einige Abschnitte haben mich sehr beschäftigt. Wie man damals mit Randgruppen umging, man mag es kaum glauben. Und doch, obwohl es schon so lange her ist, gibt es noch Ähnlichkeiten zu heute.
    Ich kann Das Maikäfermädchen nur jedem empfehlen. Gerade für junge Leute, die mit dem Krieg an sich (glücklicherweise, muss man ja sagen), nichts zu tun haben mussten, schildert es eindrucksvoll das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Menschliche Schicksale werden beleuchtet, und auch die ganz normalen Alltagsgeschichten. Man kann sich tatsächlich eine winzige Vorstellung darüber machen, wie es gewesen sein muss, damals zu leben.
    Interessant finde ich auch die Perspektive: Aus der einer Mittvierzigerin. Die vor dem Krieg noch so viele Träume und Vorstellungen vom Leben hatte, und deren Leben sich doch so stark verändert hat. Wie auch das von ihrer Freundin Lilo, deren Mann nie über sein Erlebtes hinweggekommen ist.
    Und doch gibt es Hoffnung, dass auch schlimme Zeiten zu Ende gehen und man was aus dem Leben machen sollte.
    Volle Punktzahl!


    5ratten :tipp:

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


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    Gina Mayer: Das Maikäfermädchen – Roman, Berlin 2012, Rütten & Loening (Aufbau-Verlag), ISBN 978-3-352-00843-6, Klappenbroschur, 365 Seiten, Format: 21,6 x 12,6 x 2,4 cm, EUR 16,99.


    „(...) Jetzt saß Gertrud in Chicago und schickte Pakete mit Schokolade, Waschmittel und Seidenunterwäsche nach Deutschland. (...) ‚Ich plane, bald wieder zu heiraten’, hatte sie Käthe in ihrem letzten Brief mitgeteilt. Und Käthe saß im zerbombten Düsseldorf und wusste nicht einmal, ob ihr Mann noch am Leben war, und tötete ungeborene Kinder, um selbst zu überleben, und plante gar nichts.“ (Seite 255)


    Düsseldorf, November 1945: Käthe Arensen, verheiratet, kinderlos und im mittleren Alter, haust in einer Dachkammer und schlägt sich als Hebamme in der zerbombten Stadt durch. Ihr Mann Wolf ist in russischer Kriegsgefangenschaft oder auch bereits tot, wer weiß das schon? Seit über einem Jahr hat sie nichts mehr von ihm gehört.


    Es ist, als sei Deutschland durch den Krieg in einen vorzivilisatorischen Zustand zurückgefallen. Allenthalben herrscht Hunger und Mangel und ein rücksichtsloser Kampf um die Ressourcen.


    Als Käthe in einer endlos langen Schlange um Reis und Graupen ansteht und dem Spiel eines kriegsversehrten Leierkastenmanns zuhört, fängt plötzlich eine junge Frau an, mitzusingen:
    „Maikäfer, flieg. Der Vater ist im Krieg.
    Die Mutter ist in Pommerland,
    Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer flieg.“


    Diese junge Frau, Ingrid, die ebenso gut zwölf wie fünfundzwanzig Jahre alt sein könnte, spricht Käthe schließlich an und schlägt ihr einen Handel vor: Die Hebamme bekommt ihren Pelzmantel, wenn sie ihr das Kind wegmacht. Käthe, christlich geprägt, will spontan ablehnen. Doch ein Pelzmantel ist auf dem Schwarzmarkt eine Menge Lebensmittel wert. Schließlich ist der Hunger stärker als alle moralische Skrupel.


    In einem zerbombten Haus in der Marktstraße gibt es noch Überreste einer gynäkologischen Praxis. Dort nimmt Käthe den Abbruch vor. Sie vergattert Ingrid zum strengsten Stillschweigen, denn daran, dass ihr nun jeden Tag verzweifelte Frauen auf der Matte stehen und sie um einen illegale Abtreibung anflehen, hat sie kein Interesse. Das klappt natürlich nicht. Es dauert nicht lange, da kommt die nächste.


    Als Lilo Hambach, Käthes Ex-Kollegin, von der Sache Wind bekommt, ist an einen Ausstieg gar nicht mehr zu denken. Lilo ist wesentlich härter und pragmatischer als Käthe und sieht in einer Abtreibungspraxis eine Möglichkeit, ihre Familie durchzubringen: ihren Mann Erich, der mit einer schweren psychischen Störung aus der englischen Kriegsgefangenschaft kam und nicht mehr als Frauenarzt praktizieren kann, und ihre beiden Teenager-Kinder, die aufmüpfige Hilde und den optimistischen Gerd.


    Lilo nimmt also das Ruder in die Hand.


    Das Geschäft floriert. Und in einer Gemeinschaft von Hungernden fallen die Satten auf. So ein gut gehender, illegaler Betrieb weckt Begehrlichkeiten und ruft Trittbrettfahrer und Erpresser auf den Plan ...


    Es ist schon geradezu erschreckend, wie lebendig Gina Mayer die damalige Zeit für uns Nachgeborene werden lässt. Den täglichen Kampf ums Überleben, die Angst und Sorge um die Angehörigen, den Umgang mit entsetzlichen Dingen, die man erlebt oder gar getan hat. Und da sind die Strategien sehr unterschiedlich. Dr. Erich Hambach flüchtet sich in deprimiertes Schweigen und in eine psychosomatische Erkrankung. Seine Familie hat nicht den Hauch einer Ahnung, was ihm so zu schaffen macht, weil er nicht mit ihr spricht.


    Seine Frau Lilo Hambach hält sich nicht mit Sentimentalitäten und theoretischen Betrachtungen über gut und böse, richtig und falsch auf. Was vorbei ist, ist vorbei, was getan werden muss, wird getan, basta. Irgendwie muss das Leben ja weitergehen. Das hier ist ein typischer Dialog zwischen Lilo und Käthe:
    „Du meinst, es war falsch, wie wegzuschicken?“, flüsterte Käthe.
    „Natürlich war es falsch“, gab Lilo zurück. „Aber wenn wir ihr geholfen hätten, wäre es ebenso falsch gewesen.“
    (Seite 194)


    Wenn man es ohnehin nicht richtig machen kann, braucht man sich Fragen nach der Moral gar nicht erst zu stellen. Käthe dagegen, die bei einem Bombenangriff nur ihren Hebammenkoffer und die Bibel gerettet hat, sucht immer noch ein wenig Halt im Glauben. Dabei nutzt sie die Bibel eher so, wie die Leute heute das Zeitungshoroskop: Nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bibelstellen dienen ihr als Losung des Tages – allerdings nur, wenn sie ihr in den Kram passen. Zeitweise fragt sie im Geiste auch ihren abwesenden Mann um Rat, in wichtigen und in banalen Angelegenheiten. Das hat sie so sicher nicht getan, als sie noch zusammen lebten. Auch in dieser Beziehung blieb einiges unausgesprochen. Wolf Arensen ist schon einmal verheiratet gewesen, doch über seine „Erstfamilie“ hat Käthe nie etwas hören wollen. Ein Fehler, wie sich herausstellen wird. Hätten sie offen über seine Vergangenheit geredet, wäre vieles ganz anders gekommen ...


    Die Frauen in Gina Mayers Romanen sind meist stark bis abgebrüht. Und die Männer lavieren sich ohne großen Plan irgendwie durch – wenn sie denn überhaupt wissen, was sie wollen. Das ist hier nicht anders. Einen männlichen Sympathieträger gibt es allerdings: Schimanek, der den beiden Frauen die Kellerräume für die Praxis vermietet. Eine Schönheit ist er nicht: „Ein Mann, der recht groß war, aber klapprig wie ein Skelett und bleich wie der leibhaftige Tod und kahl wie ein Baum im Winter. Das war Schimanek.“ (Seite 100) Aber er ist freundlich, ehrlich, hilfsbereit und schätzt klare Verhältnisse. Man hätte ihm von Herzen mehr Glück im Leben gegönnt.


    Schimanek gelingt es, über seine Vergangenheit zu sprechen und so einigermaßen damit klarzukommen — was für ein Opfer vermutlich auch leichter ist als für einen Täter. Wer schuldlos in die Katastrophe geschlittert ist, muss sich und anderen ja nichts vormachen. Wer schuldig wurde, mag oft gar nicht daran rühren.


    Aus der sicheren Entfernung mehrerer Jahrzehnte zu urteilen ist leicht, aber nicht immer fair. Moral ist etwas, das man sich erst einmal leisten können muss. Wenn es ums nackte Überleben geht, so zeigt uns die Geschichte, ist sie ein entbehrlicher Luxus. Da sollten wir uns keine Illusionen machen.


    DAS MAIKÄFERMÄDCHEN ist nicht nur spannende Unterhaltung, sondern personifizierte Zeitgeschichte, die dem Leser so manche Erkenntnis beschert.


    Die Autorin:
    Gina Mayer, 1965 in Ellwangen geboren, lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Bevor sie freie Autorin wurde, arbeitete sie als Werbetexterin.

  • Genug zur Handlung, also "nur" meine kurze Meinung:


    Mit dem "Maikäfermädchen" schickt Gina Mayer uns in eine Zeit, aus der ich persönlich bisher eher weniger gelesen habe, aber nichtsdestototz sehr interessant finde: Die Nachkriegszeit, die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Deutschland ist zerrüttet vom Krieg, es herrscht Armut, Angst und alles ist voller Trümmer. Die damalige Atmosphäre fängt Mayer mühelos auf. Dabei unterstützen die unterschiedlichen überzeugenden Charaktere die Handlung. Die Personen sind facettenreich und lebhaft geschildert, jede Person ist eine großartige Persönlichkeit mit einer Geschichte, die von den harten Kriegsjahren gezeichnet war. Dabei wird keine Biographie als übertrieben dargestellt, aber verschönt wird auch nichts. Wie unterschiedlich die Personen mit ihren Schicksalen umgehen, ob sie hadern oder weiter gehen, ist ganz dem Charakter der Person angepasst, was die Charaktere für mich sehr realistisch gemacht hat.
    Durch die schöne treffende Sprache nahm die Geschichte sehr schnell und einfach Formen an, was mir vor allem in den Rückblicken immer wieder aufgefallen ist. In einem mühelosen, nebenfälligen Ton wurden Nebengeschichten eingeflossen, die vor allem durch ihren Stil leicht daher kamen, aber nachhaltig im Gedächtnis blieben, so dass man auch noch nach dem Lesen darüber nachgedacht hat.
    Mit einem überraschendem aber sehr rundem Ende wurde das Buch abgeschlossen und ließ mich doch sehr zufrieden zurück. Alles in allem ein sehr schönes Buch!

  • Düsseldorf 1945, nach Kriegsende. Der Krieg ist zwar vorbei, aber das Leben noch lange nicht wieder das, was es früher war. Die Städte sind ausgebombt, es fehlt an allem, die Menschen kämpfen sich irgendwie durch.
    Käthe ist Hebamme. Eines Tages begegnet ihr ein junges Mädchen und bittet sie verzweifelt um Hilfe, die ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Käthe kann sich den Bitten des verstörten Mädchens nicht entziehen und führt einen Abbruch durch. Obwohl das Ganze als einmalige Ausnahme gedacht war, steht bald die nächste Frau vor ihrer Tür und als ihre Freundin Lilo davon erfährt, sieht sie eine Möglichkeit, sich und ihre Familie mithilfe von Käthes Tätigkeit durchzubringen.


    Obwohl Käthe schwere Bedenken dabei hat, aus der Not der Frauen ein Geschäft zu machen, sieht sie doch die Notwendigkeit ein, ihnen zu helfen. Ihr moralisches Dilemma wird eindringlich dargestellt, besonders beeindruckt hat mich hier die Aussage, dass ihre Entscheidung falsch ist, egal wie sie ausfälllt. Wenn sie es nicht macht, würden die Frauen zu jemand anderem gehen oder selbst Hand anlegen und sich dabei verletzen. Für die nicht-geborenen Kinder ist es aber allemal eine Entscheidung gegen deren Leben, bevor es überhaupt beginnen konnte.


    Gina Mayer gelingt es hervorragend, die Umstände der damaligen Zeit zu schildern. Neben Käthe und Lilo spielen auch einige interessante Nebenfiguren ihre Rollen, so zum Beispiel der ehemalige KZ-Insasse Schimanek, der den beiden Frauen seinen Keller zur Verfügung stellt oder der britische Soldat Winston, der bei Lilo Deutschunterricht nimmt und ihr Medikamente und andere Utensilien besorgt. Eine weitere spannende Figur war für mich Lilos Mann Hambach, der ein Geheimnis mit sich herumträgt, an dem er beinahe zerbricht. All diese Personen zeigen, jeder auf seine Art, das Grauen von Kriegszeiten, in denen es oft keine richtige Entscheidung gibt, sondern jeder irgendwie um das eigene Überleben kämpft.


    Das war mein erstes Buch von der Autorin, aber sicherlich nicht das letzte!


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • Zum Buch:


    Herbst 1945 in Düsseldorf: Die Zeiten sind denkbar schlecht, die Menschen hungern. So auch die Hebamme Käthe. Als Ingrid, ein junges schwangeres Mädchen, sie bittet, ihr Baby abzutreiben, lässt Käthe sich darauf ein. Einmal und nie wieder, denkt sie. Dach dann kommt es ganz anders...


    Meine Meinung:


    Dieses Buch hat mich tief berührt. Die Geschichte spielt in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges. Diese bedrückende und harte Zeit wird sehr anschaulich beschrieben. Man hat fast das Gefühl, alles selbst erlebt zu haben - das stundenlange Anstehen für eine Handvoll Graupen, um dann doch leer auszugehen; das nagende Hungergefühl; die Kälte in kaputten Häusern ohne Fenster...
    Dazu sind die Figuren sehr gut beschrieben und ausgearbeitet; sie wirken lebendig und authentisch. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen.
    Von der ersten bis zur letzten Seite hat das Buch mich fesseln können, und auch jetzt nach dem Lesen bin ich noch gefangen in der Geschichte. Es ist wie ein kleiner Abschied, dieses Buch nun erst mal zurück ins Regal stellen zu müssen. Ich kann mir aber gut vorstellen, es irgendwann noch einmal zu lesen; es hat mich sehr beeindruckt.
    Hier muss ich auch nicht lange überlegen; das Buch bekommt glatte fünf Sterne von mir; es ist ausgezeichnet!


    5ratten

    Lesen aus Leidenschaft

  • Das ist nun bereits mein viertes Leserundenbuch mit Gina, 3 stehen noch ungelesen im Regal :smile: wie immer bisher bin ich begeistert.


    Gina führt uns Leser in diesem Roman in das Jahr 1945, in die deutsche Nachkriegszeit in Düsseldorf.
    Deutschland ist zerstört und mit ihm die Menschen. Ein jeder muss mit der Vergangenheit klarkommen, jeder mit seiner Vergangenheit auf seine Art fertig werden.
    Es gibt Trennungen von Ehepaaren zu verschmerzen, wo der Mann im Krieg geblieben ist.
    Es gibt Menschen, die ihre Taten aus der Nazizeit nicht verarbeiten können, aber auch Menschen die nun vom Unglück anderer profitieren wollen.
    Und es gibt die, die einfach um ihr Überleben kämpfen, so wie Käthe und Lilo.
    Einst als Hebamme und Säuglingsschwester tätig helfen sie jetzt schwangeren Frauen abzutreiben.
    Die Gründe sind vielfältig. Einerseits zahlen diese verzweifelten Frauen gut und das eigene Überleben wird gesichert, der ewige Hunger nach Essbarem gestillt. Andererseits ist ein fachlich korrekt durchgeführter Abbruch sicherer für diese unglücklichen Frauen als die Arbeit eines Stümpers.
    Es ist eine Gratwanderung mit dem eigenen Gewissen. Leben töten um zu überleben?


    Gina Mayer macht uns zu Zeugen einer Zeit welche das ganze menschliche Elend verdeutlicht. Was bedeutet eigentlich Mensch sein? Wieviel Elend kann ein Mensch ertragen, ja auch anderen zufügen. Und wie hängt doch fast jeder an diesem erbärmlichen Leben.
    Glücklicherweise wird in diesem Roman nicht der moralische Zeigefinger erhoben.
    Dank der guten Recherche der Autorin ist eine eindrucksvolle Geschichte entstanden die berührt ohne zu belasten, mit wunderbaren plastischen Figuren.


    5ratten :tipp:

    Einmal editiert, zuletzt von Papyrus ()

  • Inhalt:
    Düsseldorf im Herbst 1945: Die Stadt liegt in Trümmern, Hoffnunglosigkeit und Hunger beherrschen das Leben der Menschen. Die Hebamme Käthe, deren Mann verschollen in russischer Gefangenschaft ist, muß sich alleine durch den Alltag schlagen. Da begegnet sie einem schwangeren Mädchen, das sie bittet, ihr Kind abzutreiben; Käthe lässt sich durch die Aussicht auf eine Mahlzeit darauf ein. Schnell spricht sich herum, daß Käthe schwangeren Frauen in Not hilft und immer mehr Frauen bitten Käthe um Hilfe. Darüberhinaus trifft sie ihre alte Freundin Lilo wieder, mit der sie zusammen die Abtreibungen heimlich ausführt.


    Meine Meinung:
    Das Buch überzeugte mich durch seine Vielschichtigkeit: der Leser bekommt einen detaillierten Blick auf die Nachkriegszeit in Düsseldorf und auf die Probleme und Sorgen der dort lebenden Menschen, und das nicht nur aus einem Blickwinkel, sondern aus der Perspektive verschiedener Charaktere. Zudem werden über die Protagonisten sehr viele Themen der Nazi-Zeit angesprochen, ob es sich um den KZ-Aufenthalt und seine Folgen für den Insassen, um Homosexualität während des Nationalsozialismus oder um Aufgaben von Frauenärzten während des Nazi-Regimes handelt.


    Die Charaktere sind ebenfalls vielschichtig dargestellt: die Autorin zeichnet die Figuren nicht nur schwarz-weiß, sondern zeigt ihre Stärken und Schwächen, wodurch die Romanhandlung sehr lebendig wird.


    Die Handlung hat mich als Leser mitfiebern und -leiden lassen, zudem gab es einige überraschende Wendungen und Auflösungen, mit denen ich so nicht gerechnet hätte. Obwohl mir viele Fakten aus der Nazi-Zeit bekannt waren, gab es dennoch die ein oder andere Neuheit für mich.


    "Das Maikäfermädchen" ist mein erstes Buch von Gina Mayer, wird aber garantiert nicht das letzte Buch der Autorin bleiben. Das Buch bekommt von mir volle Punktzahl und ist für mich ein :tipp:


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin

  • Inhalt:
    Düsseldorf 1945, es ist Ende des Krieges aber lange nichts des Schreckens, dessen es hinterlassen hat. Vieles ist zerstört, zerbombt und alle Überlebenden dieses schrecklichen Krieges kämpfen jeden Tag um ihr eigenes Überleben.
    Genau wie die Hebamme Käthe, die nach all den schrecklichen Geschehnissen alleine darstellt, weil ihr Mann Wolf eingezogen worden ist. Auch nach Kriegsende weiss sie nichts von ihm aber sie ist stark, will kämpfen und sich nicht aufgeben. Vorräte sind knapp und auch Käthe leidet unter großem Hunger, den sie jeden Tag aufs Neue versucht zu stillen. Da begegnet ihr ein junges Mädchen namens Ingrid. Und Ingrid hat eine Bitte an sie. Eine Bitte wodurch Käthe erst mal keinen Hunger mehr erleiden müsste...


    Meine Meinung:
    Bildlich und gefühlvoll beschreibt Gina Mayer das Leben nach dem Krieg. Nichts wirkt aufgesetzt, sondern zeigt das Leben, wie es früher wirklich war. Kleine Details, die so viel Gefühl herüber bringen werden dem Leser in diesem Buch nahe gebracht. Erklärungen zu früheren Ereignissen werden erläutert und verständlich erklärt.


    Das Buch erzeugt eine bedrückende Stimmung, die ich aber nicht als negativ empfunden habe. Es war viel eher wie ein Film, der vor meinem geistigen Auge abgelaufen ist. Eine ehrliche Dokumentation über das Leben nach dem Krieg 1945.
    Über Menschen, wie du und ich, die leider diese schreckliche Zeit miterleben mussten. Menschen die jeden Tag zwischen Hoffnung und Bangen standen, den nächsten Tag zu überleben. Menschen, die über ihre moralischen Grundsätze hinaus gingen, um das Leben ihrer eigenen Familie nicht zu gefährden.
    Besonders gut gefällt mit, dass hinter diesem Buch auch lange Recherchen mit Anwälten, Hebammen und Zeitzeugen stehen. Sie machen dieses Buch für mich sehr authentisch und bringen es mir näher, als es manche Werke je taten.
    Es ist so ehrlich und ungeschönt geschrieben, dass auch das Ende des Buches und die Auflösung in meinen Augen sehr passend gewählt wurden. Es ist keine Zeit der Beschönigungen gewesen, sondern der unverblümten Wahrheit und Gina Mayer trifft für mich genau diesen Kern mit ihrem Werk.


    Ein wunderbar geschriebenes Buch, welches mich sehr nachdenklich gestimmt hat und mir die Nachkriegszeit mit all ihrer unerbittlichen Härte sehr nahe gebracht hat.


    Das wird definitiv nicht mein letztes Buch von dir sein!


    5ratten

  • Die Bücher von Gina Mayer mag ich immer wieder ganz besonders, so auch dieses hier:


    Erster Satz: „Sie war früher schon einmal hier gewesen“

    Inhalt
    1945 in Düsseldorf. Der Krieg ist vorbei. Viele Männer sind nicht mehr heimgekehrt, Familien wurden auseinandergerissen und die Menschen leiden unter Hunger und Zerstörung. Es fehlt einfach an allem und lange Schlangen bilden sich vor den Geschäften, wenn mal wieder ein paar Graupen oder etwas Butter im Angebot sind, und die Verzweiflung ist groß, wenn das Warten mal wieder vergeblich war, weil die Ware schneller ausging, als noch Menschen darauf warteten. Auch Käthe, eine Hebamme, vermisst ihren geliebten Mann und kämpft um das tägliche Überleben. Eines Tages bittet ein verzweifeltes schwangeres Mädchen sie darum, ihr gegen Bezahlung das Kind abzutreiben. Käthes anfängliche Skrupel vergehen bei der Aussicht auf Nahrung, auch spürt sie, dass ihre medizinischen Kenntnisse das Mädchen davor bewahren werden, selbst einen lebensgefährlichen Abbruch zu versuchen und so nimmt sie den Eingriff heimlich vor. Dabei soll es nicht bleiben und immer mehr verzweifelte Frauen wollen ihre Dienste in Anspruch nehmen. Angetrieben von ihrer Freundin Lilo, die darin einen ertragreichen Weg sieht, Käthe und auch sich und ihre eigene Familie mit genug Essen zu versorgen, macht sich Käthe mit einem unguten Gefühl an die verbotene Arbeit.


    Meine Meinung
    Wieder hat die Autorin eine Geschichte geschrieben, die mich sehr berührt und bewegt hat. Schon die Beschreibungen der zerstörten Umgebung und der Lebensumstände direkt nach dem Krieg gingen mir unter die Haut. Ich konnte den Hunger, der Käthe so sehr quälte, fast spüren und auch die verzweifelte Ungewissheit über das Schicksal ihres Mannes. Viele kleine Rückblicke von Käthe oder auch ihre Beobachtungen von Trümmerfrauen oder anderen Mitmenschen auf den Straßen, ließen den Krieg und seine Folgen deutlich spürbar werden. Dabei wird oft in eher leichtem Ton, fast ein bisschen distanziert, erzählt, aber gerade dadurch erlebte ich die beschriebenen Szenen mit einer besonderen Intensität, einer ganz besonders eindringlichen Atmosphäre.


    Aber nicht nur das Umfeld wirkte sehr authentisch, auch die Personen waren in ihrer Vielschichtigkeit sehr lebendig und echt. Es gibt kein Schwarz-Weiß, nur ganz viel dazwischen. Der Krieg hat moralische Werte verschoben, Hunger und Angst treiben die Menschen an und lassen sie oft abstumpfen, denn Gefühle machen nicht satt. Ich konnte daher sehr gut Käthes und auch Lilos Verhalten nachempfinden. Auch wenn gerade Lilos Geschäftstüchtigkeit mich doch sehr erschreckte, so konnte ich sie kaum verurteilen, wollte doch auch sie nur irgendwie überleben. Gefühle kommen aber auch immer mal wieder hoch und so litt ich oft mit Käthe wegen ihrer mehr und mehr aufkommenden Zweifel und ihrer Gewissheit, so oder so das Falsche zu tun. Denn natürlich nahm sie die Abtreibungen trotz allem sehr schwer, ebenso aber auch die sonst möglichen Selbstversuche der Frauen.


    Neben den beiden so unterschiedlichen Freundinnen, gibt es mit Lilos Mann Hambach und der 16jährigen Tochter Hilde noch ein paar Nebenfiguren. Das Mädchen Hilde lag mir die ganze Zeit sehr am Herzen, denn sie ist in einem Alter, in dem man sich nach Liebe und Freundschaft sehnt, doch auch dies hat der Krieg vergiftet. Frauenarzt Doktor Hambach dagegen ist wie gelähmt nach seinem persönlichen Schrecken der Vergangenheit und scheint eine Schuld mit sich herumzutragen, die ihn innerlich zerfrisst. Auch dies konnte man sehr gut spüren und ich hätte ihn gerne das ein oder andere Mal geschüttelt, damit er endlich aus seinem Selbstmitleid und seiner Erstarrung erwacht und über die Geschehnisse spricht. Besonders betroffen hat mich aber das Schicksal von Schimanek, der den beiden Frauen immer eine Hilfe war. Seine Erzählungen und vor allem sein persönlicher Umgang mit seiner eigenen KZ-Vergangenheit, seine Stärke aber auch seine Verletzlichkeit und sein persönliches Trauma, haben mich sehr berührt.


    So erzählt die Autorin auf eindringliche und atmosphärische Weise von so unterschiedlichen Menschen, die aber eines gemeinsam haben, nämlich einen furchtbaren Krieg hinter sich, aus dem sie sich mühsam herauskämpfen müssen. Für uns kaum vorstellbare Situationen zerren an der Kraft und an der Menschlichkeit jedes Einzelnen. Tod, Hunger, Kriegsgefangenschaften, KZ-Vergangenheiten, Schuld, Schwarzmarkt, Schmuggel, Notunterkünfte ,Essensmarken und Trümmer, Trümmer, Trümmer... Ich bin immer wieder dankbar, dass ich dies bisher nicht erleben musste und bewundere immer wieder das Durchhaltevermögen und die Kraft vieler Menschen in der damaligen Zeit.


    5ratten

  • Düsseldorf im Sommer 1945. Die Stadt liegt in Trümmern und die Menschen versuchen zu überleben, indem sie sich mit ihren Lebensmittelkarten in die Schlangen stellen - um an die wichtigsten Nahrungsmittel zu gelangen. Nicht selten gehen viele von ihnen leer aus. Es ist auch die Zeit der Trümmerfrauen und derer, die mit einem guten Einfall oder ihrem speziellen Können, ihr Überleben sichern.
    Käthe ist so eine Frau. Sie ist Hebamme, eigentlich. Doch eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf und bittet Käthe um ihre Hilfe. Ingrid wirkt verstört und möchte weder über sich noch über den Vater des Kindes sprechen. Und so zögert Käthe nicht lange, sondern hilft Ingrid, in dem sie in einer alten Praxis in einem halbzerstörten Haus eine Abtreibung vornimmt. Einmal, denkt sich Käthe, die sich nicht gut bei ihrem Handeln fühlt. Anschließend verschwindet Ingrid wie vom Erdboden verschluckt, doch schon bald kommt das nächste schwangere Mädchen...
    Schließlich beginnt die mehr als skeptische Käthe - angetrieben von ihrer sehr geschäftstüchtigen Freundin Lilo - weiteren Frauen und Mädchen zu helfen. Doch die Mund-zu-Mund-Propaganda ist sehr gefährlich für eine sogenannte "Engelmacherin" und noch dazu taucht ganz plötzlich Ingrid auf: erneut schwanger.


    Die Autorin Gina Mayer hat mit "Das Maikäfermädchen" eine sehr ergreifende Geschichte geschrieben. Eingebettet in eine schwierige Zeit sind die Figuren, allen voran natürlich Käthe, für mich zum Greifen nahe gewesen - nachvollziehbar in ihrem Handeln und ihrem Kampf um ihr eigenes Leben und Überleben. Auch Käthe vermisst ihren Ehemann, wie so viele andere Frauen nach dem II. Weltkrieg. Sie muss für sich sorgen und hat es in einer Zeit, in der kaum ein Mensch sie bezahlen kann und sie eben auch ein gutes Herz hat, überhaupt nicht leicht. So ringt sie mit ihrer Einstellung, ihrem eigenen Wunsch nach einem Kind und ihrem christlichen Glauben auf der einen Seite und dem Wunsch der Frauen, die sie im Stillen aufsuchen, auf der anderen Seite.
    Wenn Käthe durch die zerbombte Stadt geht und auf andere trifft, erkennt man die Nöte der sehr unterschiedlichen Menschen, die allesamt auf sehr unterschiedliche Art und Weise vom Krieg und seinen Folgen betroffen sind. Da wäre einmal ein zitternder Mann, der zu kaum etwas in der Lage ist - noch nicht einmal zu Worten, die sein Leiden vielleicht erklären könnten, oder ein anderer Mann, den das erlebte unermessliche Leid in einem Konzentrationslager nicht daran hindern kann, in das Land seiner Peiniger - und sein eigenes Land - zurückzukehren und mit einer guten Idee ein kleines "Geschäft" aufzubauen... Die unterschiedliche Stärke und ihre Schwächen und Traumata, mit der die Figuren ihre jeweiligen Leben und die Folgen des Dritten Reiches meistern, haben mich sehr beeindruckt. Besonders die Figur der Käthe, mit all ihren Gewissensbissen, ihrem Mut und ihrer Sehnsucht nach ihrem Mann Wolf, hat mir sehr gut gefallen und deshalb habe ich bis zum Ende mit ihr mitgefiebert; gehofft, dass es ein kleines Fünkchen Hoffnung für sie gibt...


    Gina Mayer hat wirklich bewegende Charaktere geschaffen, die für mich sehr authentisch sind und mir sehr gekonnt vor Augen geführt haben, mit wie viel Leid die Menschen der damaligen Zeit zu kämpfen hatten. Im Grunde muss ich mir immer wieder vor Augen führen, was vor gut 70 Jahren in diesem Land alles geschehen ist - in einem Land, in dem ich weitestgehend wohlbehütet zur Welt gekommen und groß geworden bin. In einem Land, dass heute sicherlich eine der felsenfestesten Demokratien überhaupt ist. Was für ein Glück, dass wir den Terror der Nationalsozialisten und den daraus resultierenden Krieg nicht erleben mussten! Ebenso wenig wie die harten Jahre nach der Befreiung...


    Fazit: Ein ergreifendes Buch mit tollen Charakteren, die mich sehr beeindruckt haben. Zudem besticht "Das Maikäfermädchen" durch eine sehr gekonnte, wenn auch harte Atmosphäre!


    5ratten

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Mitten ins Herz


    Ich bin immer noch hin und weg von dem Buch, es bleibt in meinen Gedanken und es wird einen Platz in meiner ewigen Highlight Liste bekommen.


    Gina Mayer hat ein brisantes Thema zum Mittelpunkt ihres Buches gemacht. Zwei Frauen bauen sich im Nachkriegsdeutschland eine „Existenz“ auf, in dem sie anderen Frauen helfen … sie beenden ungewollte Schwangerschaften.


    Den Schreibstil fand ich anfangs etwas eigenwillig, ein bisschen kalt und distanziert. Aber anders kann man das Elend, den Hunger, den Schutt, die Verzweiflung gar nicht beschreiben. Dachte ich … und war froh über diese Distanz, die mir gewährt wurde.


    Aber das währte nicht lange. Denn ich habe mich sehr schnell an diesen ganz speziellen Stil gewöhnt und ohne viele Worte traf mich Gina Mayer mitten ins Herz. Sie zelebriert Sprache auf eine ganz besondere Art, die sich mir im Laufe des Buches immer mehr erschlossen hat.


    Sie führt mich behutsam durch das zerbombte Düsseldorf, bringt mir ihre Personen ganz langsam nah, die Hebamme Käthe, die bei jedem Abbruch ihre Zweifel hat. Ihre lebensfrohe Freundin Lilo, die trotz ihrer schwierigen und undurchschaubaren Tochter Hilde ihren Lebensmut nicht verliert. Lilos Ehemann Hambach, der nach dem Krieg nur noch ein Wrack ist und natürlich Schimanek, der das KZ überlebt hat. Sie betreten alle nach und nach die „Bühne“ dieser Geschichte und sie alle sind mir nah gekommen.


    Die Geschichte entwickelt sich ganz langsam um Käthe herum, ganz behutsam, so als wollte mir die Autorin nicht zu viel auf einmal zumuten. Und sie ist so kompakt geworden und so rund. Am Ende war ich fast sprachlos, mit vielem hatte ich einfach nicht gerechnet. Ich finde es faszinierend, wenn man ohne viele Worte so viel erzählen kann. Das ist Gina Mayer perfekt gelungen.


    Am Ende war ich dann froh über so viel Nähe, Käthe und Lilo waren mir so vertraut, dass ich sie am liebsten umarmt hätte. Und es ist wieder so ein Buch wie schon die Bücherdiebin, aus dem man ganz viele Sätze einfach aufschreiben möchte …


    Die Geschichte geht unter die Haut, sie berührt, sie macht nachdenklich und sie ist auf ihre ganz eigene Art sehr schön. Am Ende kullerten bei mir die Tränen und ich bin einfach froh, dass ich dieses besondere Buch entdeckt habe.


    5ratten

  • „Das Maikäfermädchen“ wurde letztes Jahr im Nachbarforum mit Autorenbegleitung gelesen und die diversen daraus resultierenden Rezensionen haben den Titel wohl in mein Gehirn gebrannt, jedenfalls habe ich das Buch direkt mitgenommen, als ich es in der Bücherei sah.


    In letzter Zeit bin ich ja eigentlich etwas skeptisch, was „Frauenschicksale“ angeht, zu häufig dient der historische Hintergrund nur als Kulisse für eine banale Geschichte, doch das ist hier glücklicherweise anders. Der Autorin gelingt eine lebensnahe Schilderung des Alltags direkt nach dem Krieg und nutzt ihr Personal dazu, die verschiedenen Kriegsschicksale (Mittäter, Mitläufer, Opfer) ebenso persönliche und realistisch zu schildern, wie den jeweiligen Umgang mit der Vergangenheit zwischen Verdrängung und Bewältigung.


    Das Einzige, was mich etwas störte, waren die Perspektivwechsel zwischen den weiblichen Figuren, mal wird die Handlung aus Käthes, mal aus Lilos Sicht geschildert, hier hätte ich mir deutlichere Brüche zur Kennzeichnung der Wechsel gewünscht, so war ich manches Mal irritiert, warum denn nun die Gedanken der einen geschildert wurden, wo die Handlung doch gerade noch aus Sicht der anderen erzählt wurde.


    Insgesamt hat mir „Das Maikäfermädchen“ aber gut gefallen, das Ende war glaubwürdig und ließ einen doch positiv in die Zukunft schauen – die Figuren würden ihren Weg machen.


    4ratten

  • Gina Mayer - Das Maikäfermädchen

    Inhalt (Amazon):

    „Maikäfer flieg – der Vater ist im Krieg“ Sommer 1945. Deutschland liegt in Trümmern, von Düsseldorf sind nur noch Ruinen übrig. Die Hebamme Käthe Mertens leidet unter der Trennung von ihrem Mann Wolf, der im Krieg verschollen ist. Eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf. Ingrid ist schwanger und völlig verstört. Sie will Käthe nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes ist, sondern summt immer nur die Melodie von „Maikäfer flieg“. Käthe zögert nicht lange, sie hilft Ingrid, indem sie in einer halb zerstörten Arztpraxis eine Abtreibung vornimmt. Ingrid verschwindet nach dem Eingriff spurlos, aber wenige Wochen später erscheint ein anderes junges Mädchen bei Käthe, das ebenfalls schwanger ist. Zusammen mit ihrer Freundin Lilo beschließt Käthe, bedrängten Frauen zu helfen – trotz der Gefahr, als „Engelmacherin“ im Gefängnis zu landen. Dann taucht Ingrid wieder auf, erneut schwanger, und beginnt Käthe zu erpressen. Die berührende Geschichte zweier Frauen im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland – ein Roman über Suche, Wahrheit und die Kraft, sein Leben zu meistern.


    Meine Meinung:
    Eine tief berührende Geschichte aus dem Jahre 1945. Hier wird einem die Nachkriegszeit auf schlimmste Art und Weise deutlich gemacht, sodass mir immer noch ganz komisch ist. So sehr wurde ich davon ergriffen.
    Käthe ist Hebamme und kämpft genau wie alle anderen Menschen zu der Zeit ums Überleben. Hunger, Angst, Trauer sind ein ständiger Begleiter und durch den Schreibstil von Gina Mayer spürt man die Atmosphäre, die dort herrscht ganz gewaltig.
    Überall sind Trümmer, alles ist kaputt und lauter verzweifelte Menschen.
    Eines Tages kommt ein junges Mädchen verzweifelt bei Käthe an und bittet sie ihr Kind abzutreiben. Käthe hat aber natürlich Zweifel und hält es eigentlich für keine gute Idee es zu machen. Doch da sie dem Mädchen helfen will und verhindern möchte, dass das Mädchen es auf eine gefährliche Art und Weise selber versucht, macht Käthe es schließlich doch. Heimlich in einer alten Praxis.
    Durch Mund Propaganda spricht sich das wohl rum, denn kurze Zeit später taucht eine andere Frau auf und bittet Käthe um den gleichen Gefallen.


    Eine schreckliche Vorstellung zu der Zeit gelebt zu haben. Käthe ist zwar unwohl dabei, doch dadurch verdient sie heimlich ein wenig Geld und sieht darin Überleben. Außerdem wird sie von ihrer Freundin Lilo dabei unterstützt. Lilo weiß was sie will und sieht in den Aktionen wohl auch das Geld und das daraus resultierende Überleben. Man kann es ihr also eigentlich nicht verübeln.


    Wie in den vorherigen Rezensionen ist mir auch diese leicht distanzierte Schreibweise aufgefallen, die für dieses Thema aber mehr als passend ist! Es ist definitiv eine gute und zugleich schreckliche Geschichte, die mich sehr bewegt hat und mir auf jeden Fall noch mal gezeigt hat WIE schlecht es den Leuten dort tatsächlich ging.


    Ich werde dieses Buch nicht so schnell vergessen, absolut lesenswert!


    Ich vergebe: 4ratten

  • Ich hatte dieses Buch als Wichtelgeschenk unter dem Tannenbaum und habe nun am Wochenende mit der Geschichte begonnen, kann also bis jetzt nur zur Hälfte des Buches etwas sagen.


    Es hat mich von Anfang an tief in sich eingesogen, in noch keinem Buch sah ich so ein klares Bild des Nachkriegsdeutschlands vor mir. Vor allem der allgegenwärtige Hunger wird so geschildert, dass man wirklich das Gefühl hat, etwas nachspüren zu können, wie das ist. Wobei ich mir nie anmaßen würde, das wirklich einschätzen zu können.


    Gut gefällt mir auch, dass die Protagonistinnen in meinem Alter sind, also Frauen in der Mitte des Lebens. Ohne Naivität, pragmatisch, mit Rückblick auf ein ganz anderes Leben.


    Die medizinischen Details der Abtreibungen haben mich persönlich schon an meine Grenzen gebracht. Ich habe mich mit der Gesamtthematik nie intensiv befasst. Als ich jünger war habe ich dem Grundsatz der Abtreibung befürwortender gegenüber gestanden als heute.


    Über eine Passage des Buches bin ich heute morgen extrem gestolpert. Es wurde geschrieben, dass fast alle Frauenärzte klare Abtreibungsgegner sind. Man höre aber auch, wieso: "Man kann sich doch an fünf Fingern abzählen, was passiert, wenn Aborte legalisiert werden, hieß es immer. Welche Frau bliebe dann noch treu, welches Mädchen ginge unberührt in die Ehe, wenn man die Folgen eines Seitensprungs einfach so beseitigen könne?"


    Da ist mir echt die Spucke weg geblieben. Für mich ist die Diskussion um Abtreibung immer eine um den Wert des Lebens, da geht es für mich um Seele und ein individuelles Geschöpf. Aber hier geht es nur drum, die Frauen als Besitztum der Männer zu wahren. Sie klein und unfrei zu halten.

    Andernfalls könnten die Frauen sich ja dazu hinreißen lassen, ihre Sexualität genauso frei auszuleben wie die Männer - welch Skandal!

    Ich bin wirklich immer noch so richtig wütend...:cursing:

    Früherer Nutzername "Alexa" :)

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Gina Mayer: Das Maikäfermädchen“ zu „Gina Mayer - Das Maikäfermädchen“ geändert.
  • Heute morgen habe ich die Lektüre beendet.


    Wider Erwarten hat mich das Ende ganz zufrieden gestellt. Alle Fäden sind sortiert und am richtigen Platz.


    Zurück blieb eine sehr nachdenkliche Stimmung und eine tiefe Dankbarkeit, das alles nicht erlebt haben zu müssen. Und der allumfassende Wunsch, das auch in Zukunft nicht zu müssen.


    Mich hat die Geschichte sehr berührt und ich kann nur jedem raten, sie zu lesen.


    Von mir gibt es auf jeden Fall 5ratten:tipp:

    Früherer Nutzername "Alexa" :)

  • Wie schön - ich hatte von Gina Mayer auch schon 2-3 Bücher gelesen und mochte sie immer. kommt mal auf meine Wunschliste

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane