"Politisch korrekte" Neuauflagen

Es gibt 275 Antworten in diesem Thema, welches 48.183 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Anubis.


  • [quote author=Cemetry]
    Wenn ich meinem Hund in barschem Ton sage: "Liebes Hündchen!", zieht er den Schwanz ein. Wenn ich in ihn ihn höchsten Tönen lobe: "Du Lumpenhund!", kann er sich vor Freude nicht halten. Was ich sagen will: C'est le ton qui fait la musique. Das PC-Gezerr um einzelne Wörter führt zu nix. Es ersetzt den Neger durch den Schwarzen, durch den Farbigen, durch den Anders-Pigmentierten, durch den pigmenttechnisch Herausgeforderten ... Und immer findet sich einer, der das als Schimpfwort benutzen wird, und man muss wieder was Neues, vermeintlich "Neutrales"suchen. Wie heisst Eure Bundesfamilienministerin schon wieder?


    Ähm. Du setzt gerade einen Menschen, der einer Minorität angehört (das betrifft ja mehr als nur Schwarze), mit einem Hund gleich.
    [/quote] Zugegeben das war etwas ungünstig ausgedrückt, aber letztlich will Sandhofer darauf heraus: Der Ton macht die Musik. Es kommt immer darauf an, wie ich etwas sage oder meine, damit es zur Beleidigung wird.
    Und dass man jeden Begriff, der etwas beschreibt zu einer Beleidigung machen kann. Statt dann einfach das Wort auszuwechseln, sollte man lieber an anderer Stelle ansetzten.


    Ich finde nicht, dass jeder Begriff, der in einem Kinderbuch steht auch heute noch gebräuchlich sein muss. Kinder lernen leicht andere Wörter und was soll es schaden, dass sie lernen, dass "durchwichsen" ein anderes Wort für prügeln ist? Das ist wahrscheinlich aus dem Zusammenhang auch deutlich.
    Oder will der Verlag es ganz streichen, da prügeln (in welcher Form auch immer) auch nicht mehr politisch korrekt ist?
    Kinder lernen jeden Tag neue Worte. Viele neue Worte. Auch Worte, die sie nie im normalen Sprachgebrauch verwenden werden. Aber das ist kein Grund, dass sie sie nicht lernen sollten.
    Wenn ein Kind wirklich etwas nicht versteht, dann geschehn in der Regel zwei Dinge: 1. Es ist ihm nicht wichtig genug und es ignoriert es (dann ist in dem Wichs-Fall auch nichts kaputt) oder 2. es fragt jemanden nach der Bedeutung.

  • Ich finde, diese Diskussion hier zeigt das Problem schon ganz deutlich auf: Was ist eigentlich politisch korrekt? Da scheint es ja selbst innerhalb der betroffenen Gruppen unterschiedliche Meinungen zu geben.


    In Fünf Freunde wurde ja z.B. der Begriff "Zigeuner" durch "Landfahrer" ersetzt. Nunja, was sind denn Landfahrer? Da habe ich schon eine ganz andere Vorstellung, ich persönlich hatte als Kind hier ein positives Zigeunerbild und fand diese Begegnungen sehr spannend. (Auch hier gibt es Leute, die "Sinti und Roma" sagen, was aber, wie ich neulich erfahren habe, von dieser Gruppe auch nicht unbedingt geschätzt wird.)


    Gibt es nicht auch bei Mark Twain Ausgaben, die das Wort "Nigger" ersetzt haben? Das gab es auch mal eine heiße Diskussion. Wenn ich mich recht entsinne gab es hier den Vorwurf, man wolle sich den Schattenseiten der amerikanischen Geschichte und damit der nötigen Aufarbeitung entziehen. Ein nicht ganz von der Hand zu weisender Aspekt wie ich finde.


    Ich finde es viel hilfreicher, einen Begriff zu problematisieren als ihn "auszumerzen" als hätte es ihn nie gegeben. Und ich denke, Kinder sind clever genug damit umzugehen. Ich als Kind konnte es zumindest.
    Ich habe auch den Eindruck, dass vielen Leuten dieses "politisch korrekte" langsam zum Hals raushängt und das finde ich sehr gefährlich. (Und das sehe ich auch als einen Grund dafür an, warum Mad Men z.B. so erfolgreich ist: Hier ist ja alles herrlich inkorret, aber dadurch wird es auch problematisiert!)


    Interessant finde ich, dass in Schweden der "Negerkönig" in Pippi Langstrumpf immer noch existiert und die sind ja schon langsam bis zur Unkenntlichkeit politisch korrekt (vor allem auf Geschlechterebene)

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie

    Einmal editiert, zuletzt von Madicken ()

  • Ähm. Du setzt gerade einen Menschen, der einer Minorität angehört (das betrifft ja mehr als nur Schwarze), mit einem Hund gleich.

    Zugegeben das war etwas ungünstig ausgedrückt, aber letztlich will Sandhofer darauf heraus: Der Ton macht die Musik. Es kommt immer darauf an, wie ich etwas sage oder meine, damit es zur Beleidigung wird.
    Und dass man jeden Begriff, der etwas beschreibt zu einer Beleidigung machen kann. Statt dann einfach das Wort auszuwechseln, sollte man lieber an anderer Stelle ansetzten.
    [/quote]


    Mir ist schon klar, was Sandhofer damit sagen wollte. Der Vergleich hinkt halt einfach total - wenn ich meinem 5jährigen im zuckersüßen Ton liebevoll "Ach du Arschloch, komm doch mal her!" zurufe, weil ich ihn knuddeln will, wird er (ganz zurecht) trotz des Tonfalls beleidigt sein. So im Gegensatz zu einem Tier, dass so seine Schwierigkeiten mit Pragmatik haben dürfte...


    Ich sag ja, ich verstehe die Aussage dahinter schon - wenn man will kann man aus allem eine Beleidigung machen.



    Gibt es nicht auch bei Mark Twain Ausgaben, die das Wort "Nigger" ersetzt haben? Das gab es auch mal eine heiße Diskussion. Wenn ich mich recht entsinne gab es hier den Vorwurf, man wolle sich den Schattenseiten der amerikanischen Geschichte und damit der nötigen Aufarbeitung entziehen. Ein nicht ganz von der Hand zu weisender Aspekt wie ich finde.


    Bei Mark Twain bin ich mir jetzt insofern nicht so sicher, was da am besten ist, weil ich immernoch nicht genau weiß, als was man seine Bücher einordnet - ich weiß, dass zumindest Huck Finn und Tom Sawyer unter Kinder- und Jugendliteratur verkauft werden. Für mich gehört es da aber irgendwie nicht hin. Ansonsten find ich zumindest in den beiden Werken das N-Wort nicht ganz so schlimm, weil ja das Thema allgemein thematisiert wird, daher auch eine gewisse Aufbearbeitung damit erfolgt.
    Wobei ich mir schon vorstellen könnte, dass mir das als schwarzer Schüler bei der Schullektüre schon aufstoßen würde...



    Ich finde es viel hilfreicher, einen Begriff zu problematisieren als ihn "auszumerzen" als hätte es ihn nie gegeben. Und ich denke, Kinder sind clever genug damit umzugehen. Ich als Kind konnte es zumindest.
    Ich habe auch den Eindruck, dass vielen Leuten dieses "politisch korrekte" langsam zum Hals raushängt und das finde ich sehr gefährlich. (Und das sehe ich auch als einen Grund dafür an, warum Mad Men z.B. so erfolgreich ist: Hier ist ja alles herrlich inkorret, aber dadurch wird es auch problematisiert!)


    Solche Themen tatsächlich anzusprechen (wobei dann wohl die Inkorrektheit nur als Anstoß dient, ich kenne Mad Men nicht) und einfach nur, weil's grade lustig ist, schnell eine Beleidigung oder Verunglimpfung in den Raum zu werfen, sind ja schon zwei verschiedene Sachen. Ich kann durchaus auch über solche Sachen lachen, so isses ja nicht. Aber irgendwo hört's auf - bei "Ted" (den ich übrigens extrem lustig fand) war der Punkt bei einem sinnlosen, aus dem Zusammenhang gerissenen und völlig unnötigem Rape Joke.


    Ich find halt einfach, dass in einem Kinderbuch, bei dem es nicht in erster Linie um dieses Thema geht (z.B. eben Sklavenhaltung), unnötig ist, solche aufgeladenen Wörter zu verwenden.

    [center]If I could go back in time, wouldn&#39;t change a damn thing in my life. Love the dumb things we do when we&#39;re young, but the best is yet to come...<br />[/center]


  • Solche Themen tatsächlich anzusprechen (wobei dann wohl die Inkorrektheit nur als Anstoß dient, ich kenne Mad Men nicht) und einfach nur, weil's grade lustig ist, schnell eine Beleidigung oder Verunglimpfung in den Raum zu werfen, sind ja schon zwei verschiedene Sachen.


    Nur kurz zur Erklärung, Mad Men ist keine Komödie sondern eine Dramaserie. Hier wird ziemlich gut die amerikanische Gesellschaft der 50er und 60er Jahre dargestellt, inklusive Sexismus und Rassismus. Da geht es natürlich für unsere Begriffe völlig inkorrekt zu aber die Situation wird dadurch auch problematisiert und nicht verherrlicht oder bagatellisiert. Die Frage stellt sich natürlich, ob das alle Zuschauer so wahrnehmen, manche finden es vielleicht auch einfach cool, dass die Männer die ganze Zeit Whiskey trinken, rauchen und die Sekretärin flachlegen. Aber das Problem nicht alle erreichen zu können hat man immer.

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  • Was genau genommen ja nicht heißen muss, dass sie auch "schwarz" sind... Um mal weiter überkorrekt zu sein... Deswegen hab ich wohl in meinen zwei Kulturwissenschaftskursen (ach, wie hab ich sie gehasst) gelernt, dass man am besten, wenn man's schon sagen muss, "white" und "non-white" sagt...


    Und warum wird hier der "Weiße" als Maß aller Dinge angelegt? Wenn ich schwarz bin, bin ich eben ein "Nicht-Weißer", sehr originell. Ich finde diese Definition viel rassistischer, sorry.


    Das politisch Korrekte geht mir teilweise schon richtig auf die Nerven, ob das nun gefährlich ist weiß ich nicht. Nur wo bitte soll der Rotstift angesetzt werden? Wo ist die Grenze?
    Ein Kinderbuch, welches in einem ganz anderen Jahrzehnt / Jahrhundert geschrieben wurde, jetzt den heute korrekten Termini anzupassen finde ich völlig daneben. Das Buch verliert seine Wahrhaftigkeit, Ursprünglichkeit, etc.
    Werden als nächstes die Märchen der Gebrüder Grimm sprachlich verändert da sie zu brutal sind? Wird die Bibel geändert, da Frau Schröder Gott lieber als Neutrum sehen möchte?


    Wer Probleme mit diesen Kinderbüchern hat kann doch andere Bücher kaufen und vorlesen oder lesen lassen. Es wird genügend neue Kinderbücher geben, oder ist dies nicht der Fall?


    Das ist meine Meinung. Und völlig korrekt müsste ich jetzt sagen, das schreibt eine Userin mit Migrationshintergrund. Schon alleine bei diesem Wort sträuben sich meine Nackenhaare, blöder gehts nimmer. Ich fühle mich durch diese Formulierung mehr in eine Schublade gequetscht als durch die einfache Aussage: Mein Vater kommt aus Ägypten.


    Davon ab sieht der Sarotti Mohr heute auch eher aus wie der gebleichte Michael Jackson, nun gut. Jeder wie er mag.

  • Und warum wird hier der "Weiße" als Maß aller Dinge angelegt? Wenn ich schwarz bin, bin ich eben ein "Nicht-Weißer", sehr originell. Ich finde diese Definition viel rassistischer, sorry.


    Ganz Deiner Meinung. :winken:


    Das politisch Korrekte geht mir teilweise schon richtig auf die Nerven,


    Immer noch Deiner Meinung. :winken:


    Nur wo bitte soll der Rotstift angesetzt werden?


    Was mich zur Frage veranlasst: Wie lange geht es noch, und wir sprechen vom Native-American-Stift?


    Wo ist die Grenze?


    Ich weiss nicht, aber ich glaube, wir stehen mittlerweile auf der falschen Seite ...


    Ein Kinderbuch, welches in einem ganz anderen Jahrzehnt / Jahrhundert geschrieben wurde, jetzt den heute korrekten Termini anzupassen finde ich völlig daneben. Das Buch verliert seine Wahrhaftigkeit, Ursprünglichkeit, etc.


    Wieder Deiner Meinung. :winken:


    Grüsse


    sandhofer (3/8-Zigeuner und 3/8-Schwabe, wobei sich 1/8 überschneidet ...)


    PS. Ich habe mich unterdessen bei meinem Hund entschuldigt ... :elch:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Ich habe auch den Eindruck, dass vielen Leuten dieses "politisch korrekte" langsam zum Hals raushängt und das finde ich sehr gefährlich. (Und das sehe ich auch als einen Grund dafür an, warum Mad Men z.B. so erfolgreich ist: Hier ist ja alles herrlich inkorret, aber dadurch wird es auch problematisiert!)


    In meinem Fall zumindest hängt mir PC deswegen zum Hals heraus, weil ständig künstlich an unserer Sprache herumgedoktort wird, mit dem (Irr)Glauben, damit auch die dahinterliegenden Probleme zu lösen. Für mich ist das irgendwie, als wolle man das Problempferd von hinten aufzäumen, und wenn es noch so gut gemeint ist.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.


  • In meinem Fall zumindest hängt mir PC deswegen zum Hals heraus, weil ständig künstlich an unserer Sprache herumgedoktort wird, mit dem (Irr)Glauben, damit auch die dahinterliegenden Probleme zu lösen. Für mich ist das irgendwie, als wolle man das Problempferd von hinten aufzäumen, und wenn es noch so gut gemeint ist.


    :daumen: Ganz meine Meinung!

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere! - Erich Kästner<br /><br />SLW 2016 9/30

  • Ich melde mich nun auch einmal kurz zu Wort, obwohl ich mich bei solchen Diskussionen lieber raushalte, weil ich nicht gut diskutieren kann (den Link habe ich deshalb gepostet, weil mich eure Meinungen wirklich interessieren).


    Grundsätzlich stehe ich dem Thema neutral gegenüber, kann die Überlegungen des Verlages nachvollziehen, doch müsste ich mich für eine Seite entscheiden, würde ich mich für die Gegenseite entscheiden.


    Papyrus hat mir sehr aus dem Herzen gesprochen. Auch mir geht das politisch Korrekte immer mehr auf die Nerven, meistens werden diese "korrekten" Worte nur benutzt, um zu verdecken, dass man noch immer Vorurteile hegt.


    Was die Änderungen in den Büchern betrifft, finde ich auch, dass mit der Zeit zu viel verloren geht. Sie sagen jetzt zwar, dass nur zwei Stellen geändert werden. Doch dann kommen in 5 Jahren noch einmal drei unkorrekte Worte raus, in 7 Jahren noch zwei Sätze, die umgestellt werden und dann ist das Buch plötzlich etwas ganz Anderes. Dann kann man gleich das Ganze noch einmal neu schreiben.

    //Grösser ist doof//

  • In meinem Fall zumindest hängt mir PC deswegen zum Hals heraus, weil ständig künstlich an unserer Sprache herumgedoktort wird, mit dem (Irr)Glauben, damit auch die dahinterliegenden Probleme zu lösen. Für mich ist das irgendwie, als wolle man das Problempferd von hinten aufzäumen, und wenn es noch so gut gemeint ist.


    Genau! Falls es falsch rüberkam: Mir selbst hängt PC auch zum Hals raus aus eben diesem Grund. Ich sehe ich aber das Problem, dass dadurch die wahren Probleme, die eigentlich dahinter stecken, untergehen, gerade weil einfach durch diese Dauerberieselung keiner mehr Lust hat sich mit diesen Themen zu beschäftigen.
    Kurz: zu viel PC, die sich zudem nur auf das sprachliche beschränkt, schadet mehr als das sie nutzt.

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  • Ich sehe da heute noch einen ganz anderen Aspekt.
    Zu der Zeit, als die Bücher (die meisten Bücher mit diesen Problemen) geschrieben wurden, hatten die meisten Autroren wohl eine homogenere Leserschaft (sprich: in Deutschland vor allem weiße Kinder, deren Eltern auch aus D kommen) im Kopf.


    Wie fühlt sich heute aber ein Kind mit dunkler Hautfarbe, wenn es liest, dass sich jemand "als Neger" verkleidet hat?


    In diesem Zusammenhang bin ich erst kürzlich übrigens über eine Passage in Laura Ingalls Wilders Büchern gestoßen, die ja ach so authentisch und lehrreich sein sollten.
    In den Büchern wird immer wieder Toleranz beschworen.
    Im Band "Little Town on the prairie" stellt "Pa" aber einen darkie, wir würden sagen "Neger" auf der Bühne dar!
    Ohne Erklärung, aber mit dem vielsagenden Zusatz "When the dancing stopped, the jokes began."
    (Übrigens gilt die Sorge nach dem Aufritt der Frage, ob "Pa" sich seine Koteleten dafür abrasiert hat...)


    Besonders präker wirkt dieses Kapitel dort, weil es eingebettet ist in andere Kapitel, die als "Whirl of gaity" bezeichnet werden, also besonders den Aspekt der Freude und Unterhaltung der Familie in dieser Zeit darstellen.


    Wie fühlt(en) sich wohl hier farbige Kinder, die dies le/asen und verstanden/ verstehen?!


    Deshalb denke ich, Passagen oder Begriffe, die die Leser selbst beleidigen oder entsetzen, weil sie auf deren (ethnische und anderweitige) Zugehörigkeit abzielen, sollte man für (sehr) junge Leser schon bereinigen.
    Allein schon, damit alle potentiellen Leser angesprochen werden und sich angesprochen fühlen dürfen, und nicht einige heimlich Zweifel bekommen, ob sie überhaupt angesprochen werden sollten oder was "die Hauptfigur"/ der Autor von ihnen hält.


    LG
    von Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

    Einmal editiert, zuletzt von Keshia ()


  • Eine Freundin von mir findet es zum Beispiel extrem beleidigend, wenn man ihre Kinder als Mischlinge bezeichnet (sie sagt helle schwarze oder dunkelhäutige deutsche Kinder) - die andere findet alles andere "unnötiges Um-Den-Heißen-Brei-Reden". Und deswegen vermeide ich es zum eiinen, diese Sammelbegriffe zu verwenden - und wenn doch, frage ich nach, welcher okay ist.


    Boah, so etwas hasse ich ja!


    Nein, ernsthaft, das ist für mich die große Schattenseite des Politisch Korrekten!


    es bedeutet nämlich aus meiner Sicht, dass man bestimmte - immer mehr mit der Zeit - Begriffe gar nicht benutzen und offensichtliche Unterschiede nicht benennen oder ansprechen darf.


    Um niemanden zu verletzten - oder, weil man schon mal von einem Betroffenen ordentlich eines auf die Nase Mütze bekommen hat, spricht man vieles gar nicht mehr an.


    Mein Liebling:
    Man darf niemanden mehr fragen, woher "er stammt", auch, wenn durch verschiedene Hinweise ersichtlich ist, dass er nicht aus dem Land stammt, in dem beide leben.
    Es gibt einfach keine korrekte Form dafür.



    Man darf schon sagen, (meine Freundin Leslie, die zum Essen kommt, ist eine große schlanke Blondine.
    Aber nicht, dass sie eine Schwarze ist.
    Oder "türkisch-stämmig".
    Das sind dann schon grenzwertige Begriffe.
    Was, wenn sie ein Transvestit ist? :redface:


    Eines der schlimmsten und zugleich interessantesten Bücher, das ich zu dem Thema je gelesen habe, ist Marga Bayerwaltes "Große Pause".
    Einerseits wird mir da als Leser ein sehr pessimistisches und teils rassistisches Menschenbild vermittelt - und die Frau hat später wieder als Lehrerin gearbeitet! - aber andererseits werden auch Fragen angesprochen, die ich schon relevant finde, nämlich, wo hört Toleranz auf und wo fängt Restriktion und Schweigen an - und darf man das eine um den Preis des anderen haben wollen?
    Ist es nicht auch Diskriminierung, wenn die vermeintlich Diskriminierten unantastbare Bereiche haben, über die die Mehrheit nicht sprechen oder nichts erfahren darf?


    Das wären für mich jedenfalls in dem Bereich schon interessante Fragen!


    Da wir hier in einem Literaturforum sind:
    Als erstes brauchen wir mMn unbedingt Worte für alles.
    Wir halten uns für so aufgeklärt, aber wenn Toleranz bedeutet, dass es für Begrifflichkeiten im weitesten Sinne keine Worte gibt oder geben darf, oder man sich selbst welche suchen muss, dann sind wir mMn in dem Bereich wieder wie in der Ära vor der sexuellen Aufklärung. Da hat man aus Mangel an Wissen rumgestottert und wusste nicht, was fragen und was wie erklären, wenn man heute anfängt, aus Angst vor Intoleranz rumzustottern, sich Begriffe zu suchen oder sie zu meiden, dann ist das doch ein Rückschritt, oder?


    Es muss nicht nur deutlich gemacht werden, welche Begriffe man (aus gutem Grunde) NICHT verwenden soll, sondern auch, welche man stattdessen verwenden darf oder sollte.
    Einfach nicht über das Thema - egal, welches - reden, kann und darf mMn gerade heute im aufgeklärten multikulturellen Europa keine Option sein.


    Unter anderem die Hautfarbe (aber auch anderes, wie die Aussprache) ist ein Merkmal eines Menschen, das einem auffällt.
    Und das man evtl. mal nennen möchte, ohne gleich den Menschen herabzusetzen.
    Wenn ich in Bayern bin, möchte ich auch wissen, ob, wenn Tony zum Essen kommt, Tony ein Mann oder eine Frau ist.
    Ebenso muss ich doch auch anderes erfahren dürfen, das eben doch eine Rolle spielt, weil man sich auf eine Person einstellt.
    Man verhält sich eben doch anders, wenn ein Mann kommt, als wenn eine Frau kommt, wenn man weiß, dass ein Ausländer kommt, reagiert man auf Sprachprobleme anders, als wenn man denjenigenanhand seiner Aussprache für betrunken hält (ist mir schon mal passiert...), und wenn man die ganze Zeit verkrampft ist, weil man nicht weiß, ob man unabsichtlich irgendwie den Gast beschämt (indem man ihm als Muslim Schweinefleisch oder als Jude nicht koscheres Essen serviert) wäre es doch einfacher, man könnte einfach mal fragen.


    LG von Keshia

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  • Warum sollen Kinder nur Glattgebügeltes zu Lesen bekommen? Es gehört doch zum Lernprozess dazu, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. In diesem Fall stehen die Eltern in der Verantwortung, unbekannte Begriffe zu erklären und ins richtige Licht zu rücken. Dass es tatsächlich so viele Menschen gibt, die wirklich der Meinung sind, dass man an (Kinder-)Literatur herumstreichen darf und soll, damit sie nirgendwo aneckt, finde ich ziemlich unheimlich. Wo endet dieser Prozess, und wohin führt es uns, wenn so etwas Praxis wird? Wenn nach dem Neger nun schon das "wichsen" gestrichen wird - und letzteres nicht einmal aus PC. Ich finde das schon einigermaßen bedenklich.


  • Warum sollen Kinder nur Glattgebügeltes zu Lesen bekommen? Es gehört doch zum Lernprozess dazu, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. In diesem Fall stehen die Eltern in der Verantwortung, unbekannte Begriffe zu erklären und ins richtige Licht zu rücken.


    Danke, Pandora. Genau das denke ich mir auch die ganze Zeit.
    Ich denke erstens, dass Kinder weit nicht so doof sind wie wir Erwachsene es oft vermuten oder befürchten. Und zweitens lebt ein Kind ja nicht in einem Vakuum. Wer sagt denn, wenn man gemeinsam mit den Kindern ein Buch liest, in dem das Wort "Neger" vorkommt, dass man da sofort verstummen muss? Als Elternteil kann man doch dem Kind erklären, dass man dieses Wort nicht (mehr) verwendet, weil es eben durch die Geschichte nicht unbedingt mit positiven Konnotationen belastet ist. Meine Eltern und Großeltern haben mir das auch erklärt, als ich noch sehr klein war und das Wort aufgeschnappt habe - ob das in einem Buch war oder bei den Mitschülern, weiß ich nicht. Aber ich, sorgloses kleinen Kind, brabbel natürlich gleich alles nach. Es hat vielleicht 5 Minuten gekostet mir verständlich zu machen, dass sich dunkelhäutige Menschen dadurch sehr beleidigt fühlen und es ein gemeines Wort ist. Passt. Kinderhirn verstaut das und markiert es als "böses Wort".


    Das ist vielleicht ein bisschen simpel, aber man wird ja schließlich auch älter, lernt dann in der Schule von politischer Korrektheit und hat mehr Kontext für das Wort, das einem als Kind als "schlecht" erklärt wurde.


    Literarische Werke nach 100 Jahren abzuändern oder anzupassen ist mir sowieso zuwider. Neuübersetzungen finde ich in Ordnung, aber nur wenn sie nicht darauf abzielen, modern zu klingen. Die Sprache - und eben der Gebrauch gewisser politisch nicht korrekter Wörter - verleihen diesen Romanen ihren Kontext. Sie wurden nun man in ihrer Zeit von Menschen ihrer Zeit geschrieben. Dass das in einem Roman reflektiert, ist doch eine spannende Sache, über die man - siehe da! - reden kann. Diese jetzt verpönten Wörter gehören schließlich zu unserer Geschichte. Man darf doch auch "Hitler" sagen, wenn man über den zweiten Weltkrieg redet, ohne dass man gleich ausgestoßen wird. Wenn ich einen Roman über die USA während der Sklavenzeit lese, dann ist es nur authentisch, dass das Wort "Neger" vorkommt. Ich fände es höchst surreal, wenn ein weißer Plantagenbesitzer seine Sklaven plötzlich mit "schwarz" oder "dunkelhäutig" beschreibt... :rollen:


    Neuauflagen für Kinder halte ich also für genauso unnötig wie das "Korrigieren" von Erwachsenenauflagen. Es liegt schließlich auch an den Eltern zu sehen, dass die Kinder nicht etwa nur eine Art Bücher lesen, in der gewisse Wörter vorkommen oder verherrlicht werden bzw. mit den Kindern darüber zu reden. Das fällt für mich unter den Punkt Erziehung und die würde ich gerne (wenn dann mal Kinder vorhanden sind) selbst in die Hand nehmen. Und wenn ich mit meinem Kind Huckleberry Finn lese, dann möchte ich auch, dass es versteht, warum es eine große Sache ist, dass Huck sich mit Jim anfreundet!

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

    Einmal editiert, zuletzt von Wendy ()

  • Gerade fällt mir noch was zu dem Thema ein - es gibt in einem Kurzgeschichtenband ("Impossible Things", leider nur auf englisch zu kriegen) von Connie Willis auch eine herrliche Geschichte, in der eine Dozentin sich schwertut, noch ein Shakespearewerk zu finden, das nicht an irgendeiner Stelle gegen die politische Korrektheit verstößt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Der Kommentar von Jan Fleischhauer spricht mir aus der Seele.


    Hier noch zwei andere Kommentare, die mir auch ganz gut gefallen haben:
    [url=http://www.berliner-zeitung.de/magazin/leo---gutsch-der-verschwundene-negerkoenig,10809156,21493132.html]Maxim Leo von der Berliner Zeitung[/url]
    [url=http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/leitartikel/Jim-Knopf-Kinderbuecher;art222429,4601749#.UPlXdfJP4m4]Ulrich Brenner von der Saarbrückener Zeitung[/url]

  • Als Gegenpol mal ein Kommentar, der mir persönlich aus der Seele spricht:


    Newspeak II


    Aus einem Kommentar dazu:


    Zitat

    "Was an den beiden Debatten zusammengehört - das finde ich im Hermanstadt-Artikel bestens getroffen - ist der antiaufklärerische Impuls der Empörung über die "politisch korrekte Zensur". Die schön kuschelige Erinnerung an die eigene kindliche Unschuld soll eben nicht davon befleckt werden, dass man damals - völlig unreflektiert und tatsächlich schuldlos - rassistische Begriffe und rassistische Klischees gelernt hat. Man hat sich ja nichts böses dabei gedacht, also kann auch nichts falsches dabei sein.
    Dass es zum Erwachsenwerden gehört, das eine oder andere Schmerzliche zu lernen - zum Beispiel, dass es eventuell zur Zeit der eigenen Kindheit einen viel stärkeren Alltagsrassismus gegeben hat, der sich auch in der selbstverständlichen Verwendung rassistischer Begriffe zeigt, die auch damals durchaus schon rassistisch waren und von den durch sie bezeichneten solcherart verstanden wurden - will man nicht wissen. Stattdessen beharrt man wütend auf dem Recht auf Infantilität; Da man ja der Intention nach kein Rassist ist, hat man es auch nicht nötig, sich mit Rassismus zu befassen, und jeder, der nahelegt, man könne eine rassistische Äußerung getan oder ihr beigepflichtet haben, ist notwendigerweise überempfindlich oder verblendet. Das ist etwa so, als würde man jemandem versehentlich auf den Fuß treten und sich, wenn dieser sich beklagt, nicht etwa entschuldigen und in Zukunft achtsamer sein, sondern stattdessen erklären, da man diesem jemand nicht auf dem Fuße habe treten wollen, könne man es unmöglich getan haben - um dann noch einmal extra fest "versehentlich" zuzutreten."


    Ich frage mich, was so schlimm an einer Anpassung sein soll. Nicht-Betroffenen ist sie weitgehend egal, sie sind von der PC genervt. Betroffene dürfen wählen: Entweder sie fühlen sich verletzt oder eben nicht. Ich selbst würde hier den Weg wählen, der am wenigsten Schaden anrichtet und somit Rücksicht auf diejenigen nehmen, die verletzt werden könnten.


    Die Anpassungen, die Thienemann vornehmen will, sind jetzt ja nicht so dermaßen spektakulär. Es wird etwas umformuliert, aber der Inhalt wird deshalb ja nicht verändert. Wo also ist das Problem? Schaffen wir uns da nicht selbst eines? Für mich ein Luxusproblem, das wir in der ersten Welt vom bequemen Sofa aus diskutieren.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.